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Das Awareness-Konzept ist in ständiger Weiterentwicklung und soll von den Menschen die den KuBo nutzen (mit)entwickelt und mitgetragen werden. Dabei ist klar, dass die beschriebenen Konzepte und Herangehensweisen nicht fehlerfrei sind. Sie sollen eine Orientierungshilfe für einen Umgang mit herausfordernden Situationen bieten. Und auch die Umsetzung ist nur so gut, wie die Menschen, die sich daran beteiligen. Hier die Version mit der wir aktuell arbeiten:
«Awareness» bedeutet Bewusstsein. Es wird erwartet, dass sich alle Menschen, die sich im KuBo aufhalten, bewusst sind oder zumindest bewusst machen wollen, was es für Problematiken innerhalb der Gesellschaft gibt und dass auch der KuBo nicht davor halt macht.
GEMEINSCHAFTLICHE VERANTWORTUNGSÜBERNAHME
Der KuBo lebt von den Menschen, die ihn nutzen. Dementsprechend sind alle Menschen im KuBo, ob hinter der Bar, auf der Tanzfläche oder auf der Bühne, verantwortlich dafür, dass sich sämtliche Menschen im gemeinsamen Freiraum wohl und sicher fühlen. Das prinzipielle kritische Hinterfragen von Hierarchien im KuBo bedeutet, dass bei unterschiedlichsten Formen von Gewalt nicht auf repressive Massnahmen zurück gegriffen werden soll. Stattdessen sollen Strategien entworfen und verfolgt werden, die darauf abzielen, dass alle Menschen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und sich weiter entwickeln können. Begrüsst werden daher die Ansätze des Konzepts der Transformativen Gerechtigkeit. Dieses greift nachdem es zu grenzüberschreitendem Verhalten gekommen ist. Die Grenzüberschreitung und deren Ursprung soll dabei von der Gemeinschaft als Ganzes aufgearbeitet werden.
KONSENS
An Vollversammlungen wird ein Konsent-Prinzip angestrebt, was bedeutet, dass niemand gegen eine Entscheidung sein soll. In zwischenmenschlichen Beziehungen soll das Konsens-Prinzip gelten, also dass alle immer dafür sind. Das bedeutet, dass sämtliche Handlungen und Gespräche im gegenseitigen Einverständnis stattfinden. Insofern soll stets aktiv nach einer Einwilligung gefragt werden. Dies gilt auch fürs Fotografieren oder Filmen. Nur ein aktives Ja ist tatsächlich ein Ja.
DISKRIMINIERUNG
Der KuBo soll ein möglichst diskriminierungssensibler Raum sein. Es ist klar, dass wir alle durch unser Aufwachsen in dieser Gesellschaft unterschiedlichste Diskriminierungsformen verinnerlicht haben. Daher ist es unabdingbar, dass sich alle Menschen stets mit ihren eigenen Vorurteilen und Haltungen auseinandersetzen, sich reflektieren und weiterbilden. Diskriminierendem Verhalten aufgrund nicht oder schwer änderbarer Merkmale (Hautfarbe, Herkunft, Ethnie (Rassismus, Xenophobie, Antisemitismus, Antiziganismus), soziale Herkunft (Klassismus), Sprache (Linguizismus), Geschlecht (Sexismus, Transfeindlichkeit), Religion (Antijudaismus, Islamophobie), Sexuelle Orientierung (Queerfeindlichkeit), Alter (Ageism), körperliche oder geistige Fähigkeiten und körperliches Erscheinungsbild (Ableism, Behindertenfeindlichkeit, Lookism, Audismus)) soll aktiv mit Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit entgegengetreten werden.
KULTURELLE ANEIGNUNG
Von kultureller Aneignung wird gesprochen, wenn sich Angehörige der dominanten (Hegemonial-)Kultur kulturelle Ausdrucksformen aneignen (dies als Eigenleistung ausgeben) und eventuell dadurch profitieren, ohne die damit verbundenen Diskriminierungformen durchlebt zu haben. Beispiele dafür sind spezifisch geflochtene oder verfilzte Haare, Tattoos, Piercings und andere Bodymodifications aber auch Ausdrucksformen, die sich im Sprachgebrauch äussern können. Für die dahinter stehende Herkunft sowie die Wirkungsmechanismen soll ein Bewusstsein geschaffen werden.
PRIVILEGIEN
Privilegien zu haben, bedeutet mit gewissen Formen von Diskriminierung im Alltag nicht betroffen zu sein. Beispiele von Privilegien sind: Einen (Schweizer) Pass zu haben, als weiss gelten, cis(männlich) und/oder hetero zu sein, gesund zu sein, genügend Geld zu haben, gebildet zu sein, einem Schönheitsideal zu entsprechen, Zeit zu haben etc. Menschen haben unterschiedliche Privilegien und sind von unterschiedlichen Diskriminierungsformen betroffen. Auch da soll ein Bewusstsein für die eigenen Privilegien geschaffen werden und wie man verantwortungsvoll damit umgeht, ohne diese auszunutzen. Ein Beispiel für das unreflektierte Ausleben von Privilegien ist, wenn ein cis Mann sein Shirt auszieht und oberkörperfrei ist, während weiblich gelesene Personen dafür sexualisiert werden.
DEFINITIONSMACHT UND BRAVER SPACE
Sollten jemandes Grenzen überschritten worden sein und es kann niemand der direkt anwesenden Personen unterstützen, kann man sich jederzeit an die Menschen am Eingang oder hinter der Bar wenden. Die betroffene Person hat dabei die Macht, selber zu definieren, ob für sie eine Grenzüberschreitung vorliegt. Dabei soll die Erzählung sowie die Wahrnehmung der betroffenen Person nicht in Frage gestellt werden. In leiserer Umgebung können in einem nicht allen zugänglichen Safer Space Sofortmassnahmen und eine Perspektive besprochen werden. Die Konzepte der Definitionsmacht (Defma) sowie von Parteilichkeit werden seit vierzig Jahren immer wieder kritisiert und deshalb regelmässig überarbeitet. Deshalb gibt es davon keine einheitliche Vorstellung sondern sind eine laufende Aushandlung. Safe Spaces (sichere Räume) sind eine Illusion, die es beim derzeitigen Zustand der Gesellschaft nicht geben kann. Deshalb ist hier die Rede von einem Braver Space, einem Raum in dem es ein Bewusstsein für gesellschaftliche Problematiken gibt.
SPRACHE SCHAFFT REALITÄT
Unsere Alltagssprache ist unbewusst von sozialen Konstrukten geprägt, wodurch Machtverhältnisse reproduziert werden. Im KuBo soll inklusiv kommuniziert werden, zum Beispiel kann der Genderstern mittels kleiner Pause auch gesprochen werden. Ebenfalls ist es angebracht, sich beim ersten Kennenlernen mit Pronomen vorzustellen und nach dem Pronomen des Gegenübers zu fragen. Man darf sich gerne genügend Zeit nehmen um Worte sorgfältig zu wählen, damit möglichst keine Fehler passieren. Wenn doch einmal Fehler passieren, ist das nicht weiter schlimm, wir sind alle ständig am lernen. Man sollte sich stets bewusst sein, dass die sprachliche Ausdrucksfähigkeit eine Macht ist und die Privilegien, die damit kommen nicht ausgenutzt werden sollen.
Es wird ermutigt, dass sich alle mit oben genannten Themen auseinandersetzen. Auf awarenetz.org gibt es eine grosse Sammlung unterschiedlichster Broschüren. Einige davon sind auch in der KuBo-Bibliothek und können da gelesen werden. Bei Unklarheiten können die Menschen hinter der Bar oder am Eingang helfen. Anmerkungen und Kritik dürfen sehr gerne per Email an kubo@immerda.ch gesendet werden.
Sommer 2024